Samstag, 27. August 2011

That’s how it was before the Christians came


Ruth und ich gehören jetzt zu Santrokofi. Wer uns noch nicht gesehen hatte, der kennt uns spätestens seit Sonntag, dem Tag unserer offiziellen Begrüßung. Einer ganz ganz ganz offiziellen Begrüßung. Quasi mit großem Paukenschlag.

Weil unsere Projektleiterin Liz, die gleichzeitig die ernannte Königin von Santrokofi ist, vor einigen Wochen ihre Mutter in Europa beerdigt hatte, wollten die Dorfbewohner ihr eine eigene kleine Gedächtnisfeier widmen. „Klein“ ist in Santrokofi genau wie „5 Minuten“ relativ zu sehen. Denn die kleine Erinnerungsfeier entpuppte sich als Riesenereignis, mit dem noch nicht einmal die Königin höchstpersönlich gerechnet hatte.

Die alten Frauen binden Perlen fuer Liz.
Von den ältesten Frauen des Dorfes, die bereits in festlich-gemusterten Kleidern steckten, wurde Liz mit unzähligen bunten Glasperlen kunstvoll geschmückt. Gelb und blau und weiß und grün. Um die Arme und Handgelenke, Beine und Füße. Beinahe wie ein Weihnachtsbaum wurde sie behängt, nur ohne Lametta. Am wichtigsten waren dabei kleine rote Stoffstücke, die in jedes Perlenband eingewoben wurden. Rot – die Farbe der Beerdigungen.

Als Liz letztendlich auch noch in ein schwarz-weißes Gewand gehüllt wurde, sich ihre Terrasse mit immer mehr Frauen füllte und selbst die neugierigen Kinderaugen davor sich verdreifachten, peitschte uns ein Sprechgesang entgegen. Bum. Bum.
Die Männer des Dorfes kamen, um uns abzuholen, zum Dorfplatz, der noch am Vormittag so klein wirkte, auf dem nun aber schon so viele Menschen warteten.
Liz durfte neben dem Chief, dem Dorfoberhaupt, Platz nehmen. Ruth und ich daneben. Was für eine Ehre. Wir wurden ihm direkt vorgestellt. Dem alten Mann, der für mich die Weisheit höchstpersönlich ausstrahlt. Er trägt genau die Ruhe und Gelassenheit in seinen Augen, die nur Menschen tragen können, die mehr gedacht haben als andere. So habe ich mir immer Lessings Nathan den Weisen vorgestellt.
Ich stelle mich beim Chief vor.
 
Die ganze Zeit hindurch waren Trommelschläge zuhören und ständig wurde getanzt. Entweder von den Männern, die polonaiseähnlich hintereinander auf einer Kreisbahn liefen. Oder von den Frauen, die mit so viel Freude eine Frau in der Mitte betanzten. Zwischendurch wurden Gewehrschüsse abgegeben. Kein militärisches Zeichen, sondern einfach ein Symbol des Ehrentages. Wie Feuerwerk. Auch wir Neuen, Ruth und ich, wurden in die Polonaise aufgenommen, im Frauenkreis betanzt und durften einmal den Gewehrknopf abdrücken. Was für ein Knall!
Eine Frau tanzt mit einem Bild der verstorbenen Mutter.
Im Gegensatz zu den Dorffesten, die ich kenne, auf denen Alkohol als Tanzanimateur fungiert, wurde auf der Beerdigungsfeier erst nach dem Tanzen getrunken. Palm Wine aus Kalebassenschalen. Schmeckt wie Sauerkraut. Und erinnert mich an Omis Kochkünste. Und an Papas selbst gemachten Wein, der mir auch nie so richtig geschmeckt hat.

Diese „kleine“ Gedenkfeier hat mich so fasziniert. Diese Harmonie zwischen den drei Generationen der Gemeinde, die so ausgelassen und voller Freude und Elan nach der überlieferten Tradition des Dorfes gefeiert haben. Ich habe noch nie erlebt, dass Menschen einen eigentlich traurigen Hintergrund so farbenfroh gestalten, den Tod ihrer eigenen Lebenslust gegenüber stellen. Ich habe noch nie erlebt, dass Fremde mit so einer Ehrlichkeit willkommen, herzlich willkommen geheißen worden.
Fasziniert hat mich auch ein Satz unserer Liz. „That’s how it was before the Christians came“. So war es, bevor die Christen kamen. Bevor sie die Tradition des Dorfes mit dem Evangelium ablösten.
Auch wenn sonntags die meisten Dorfbewohner zur Kirche gehen, so ist es doch schön, dass sie nicht alles von den christlichen Missionaren übernommen haben. Zum Beispiel die düsteren Beerdigungsfeiern.


Ruth trinkt Palm Wine aus Kalebassenschalen - und faengt direkt an zu Schwitzen.
Ghanaer begruessen Deutsche