Wären nie
Menschen ins All geflogen, wüssten wir heute nicht, wie die Erde von oben
aussieht. Wäre ich nie nach Ghana geflogen, wüsste ich nicht, weshalb mir das
Leben in Deutschland manchmal so schwer fiel. Abstand bringt Überblick. Neue
Blickwinkel. Ich habe hier in Ghana so viel Abstand zu meinem alten Leben, dem
Leben in Deutschland, dass ich es, ohne gerade davon beeinflusst zu werden,
besser überblicken kann. Ich erkenne Dinge, die mir durch meinen starren,
eingeengten Blick verborgen blieben, schätze manches anders, neu ein. Denn wenn
alle um einen herum anders denken und handeln, dann rückt die eigene
Wahrnehmung und Meinung aus dem Mittelpunkt und andere Ansichten nehmen diesen
Platz ein…
Wie ein
Astronaut auf die Erde, so schaue ich von Ghana aus auf Deutschland – was sehe
ich? Stille. Alleinsein. Zwang zur Anonymität. Pessimismus. Krise. Wirtschaftskrise.
Finanzkrise. Gesellschafskrise. Pessimismus. Leistungsdruck. Immer mehr, immer
schneller, immer besser. Zu viele Möglichkeiten, die erschlagen. Zu viele
Informationen, die ertränken. Und immer wieder Pessimismus.
Mir
scheint, es sei der Optimismus, der dem momentanen westlichen Zeitgeist fehlt.
Was ist es
wohl, das Menschen dazu zwingt, ihre Persönlichkeit aufzugeben, ihren
Charakter, ihre Ideale zurechtzustutzen? Lebenserfahrung als messbaren Wert
anzusehen? Die Menschen zu vernachlässigen, die ihre sozialen Stützen
ausmachen, sodass Beziehungen zerbrechen, Schwestern Brüdern fremd werden und
Mütter nicht wissen, was sich ihre Töchter durch die Adern spritzen? Was bringt
Menschen dazu, ihr Leben von Erfolgsdruck diktieren zu lassen?
Es ist
wohl die Angst. Die Angst vor dem, was käme, täten sie es nicht. Die Angst vor
dem, was uns wort- und bildreich in der Schule, auf der Straße und natürlich –
wie könnte es hierbei fehlen? – im Fernsehen eingetrichtert wird: Wenn du nicht
deine egoistischen Ellbogen ausfährst, wenn du nicht der Superlativ bist, wenn
du dich nicht für dein gesellschaftliches Ansehen kaputt machst, dann wird
nichts aus dir!
Ich will
nicht Faulheit in Schutz nehmen. Motivation, Ehrgeiz und Verbesserungsstreben
können durchaus erfüllend sein. Ich will nur anraten, das menschenfeindliche
Wort „Humankapital“, bei dessen Aussprache sich mir die Bauchnabelhaare
aufstellen, schleunigst aus dem Sprachgebrauch zu verbannen, sowie jegliches
Gedankengut, das den Wert eines Menschen in Zahlen zu messen vermag.
Eine
Generation, für die der Lebenslauf ein wichtigerer Entscheidungsträger als das
eigene Gewissen zu sein scheint. Aus Angst. Angst, die Pessimismus nährt.
Komponenten eines Zeitgeistes, dem man sich anschließen kann, wenn man mag oder
nicht darüber nachdenken will, dem man allerdings auch Optimismus entgegen
setzen kann. Eine gehörige Portion Optimismus würde dieser Generation nicht
schaden!
Zugegeben,
zwischen Optimismus und Naivität schwankt nur ein schmaler Grat. Aber weißt du,
was von meinem ghanaischen Astronautenanzug aus naiv wirkt? Luxusprobleme wie
diese, über die in Deutschland geheult wird. Wie die Streberkinder, die bei
einer 1- in Tränen ausbrechen…
Da wäre
ich übrigens wieder da angekommen, wo die eigene Sichtweise durch den Kontakt
mit einer anderen bereichert wird. Hier in Ghana nehmen nämlich die sozialen
Strukturen und besonders die Familie einen viel, viel höheren Stellenwert ein
als in Deutschland. Das gibt Rückhalt und die Sicherheit, dass immer jemand da
ist, der einen abfangen wird, wenn es doch mal schlecht laufen sollte. Und das
wiederum gibt Optimismus und nimmt die Notwendigkeit des egoistischen Zukunftspessimismus‘…