Zurück in Deutschland. Zurück im gelobten Land, in dem leben zu können, ich vor Wochen noch beneidet worden bin. Zurück im Land, in dem Milch und Honig fließen und Nadelbäume statt Ölpalmen aus dem Boden sprießen.
Zurück
im alten Leben. Ist es das noch?
Ich
wusste, dass es nicht leicht sein würde, sich in einer fremden Kultur
einzuleben. Doch warum ist es so verdammt schwer, in meiner eigenen anzukommen?
Ich
fühle mich fremd. Fremd und einsam. Wenn ich allein im Bett liege, allein in
diesem großen Zimmer, in diesem viel zu großen Haus. Fremd in all dem stummen
Platz. All der Ruhe. Es ist so schrecklich still! Fremd vor meinem großen
Kleiderschrank. Fremd, wenn ich diese riesigen Bildschirme sehe oder das
24-Stunden-Internet, das die Leute in Hosentaschen mit sich herum tragen.
Fremd, wenn ich in Mülleimer schaue, in denen liegt, was kein Müll ist. Fremd,
wenn ich den Kühlschrank öffne. Fremd, wenn so viel möglich ist, dass man es
unmöglich alles ausschöpfen kann. Fremd in all dem Überfluss.
So
sieht das Leben aus, das ich in Ghana nicht mehr verstehen konnte, das ich
belächelte und regelrecht verabscheute.
Ich
bin überfordert, wenn ich im Supermarkt vor unzähligen prall gefüllten Regalen
stehe, deren Auswahl mich erschlägt. Mir wird schlecht, wenn ich diese viel zu vielen Nahrungsmittel sehe, die tausende Kilometer verschifft worden sind, um
hier nicht gekauft und deshalb weggeworfen zu werden. Und ich bekomme das
blanke Kotzen, wenn ich mitkriege, mit welcher Hysterie die Leute alle paar
Monate ihre Handys ersetzen, deren Kupfer- und Aluminiumbestandteile in Accras Elektromüllslum von ghanaischen Kindern heraus geschmolzen werden.
Das
ist ein Leben im Überfluss, den es in einem Entwicklungsland wie Ghana nicht
für alle gibt. Das bedeutet allerdings nicht, dass Deutschland keine
Mangelerscheinungen kennt. Ein Schalk ist, wer den Reichtum dieses Landes einzig an seinen importierten Gütern zu messen vermag. Menschlich gesehen, finde ich,
ist Deutschland das größere Entwicklungsland. Das klinisch saubere Land, in dem
sich Menschen nur mit Fingerspitzen berühren, um keine Fingerabdrücke zu
hinterlassen, lieber wegschauen, um nicht der Gafferei bezichtigt zu werden,
Gartenzäune und Mauern bauen, um sich zu verstecken, um sich abzugrenzen, um
den Nachbarn ignorieren zu können, um nicht gesehen zu werden, wenn sie zum
Lachen in den Keller gehen.
Von
dem einen zu viel, vom anderen zu wenig.
Ich
bin zurück in Deutschland. Alles hat noch seinen Platz, nur ich nicht mehr. Ich
will ihn nicht einnehmen, den Platz, der für mich freigehalten worden ist. Ich will
nicht so tun, als sei nichts gewesen, als hätte ich einfach nur den Winter
verschlafen. Es käme mir vor wie Verrat an meinem Leben in Ghana, in dem ich
alles hatte, was ich brauchte. Von dem einen weniger, vom anderen mehr.
Vielleicht
ist es diese Einstellung zum Leben, die ich aus Ghana mitgebracht habe und die
meine Zeit in diesem Land nicht verblassen lassen wird, wenn ich nicht
erblinde, bei so viel Blendung. Vielleicht ist es egal, ob ich mir
Kente-Webereien an die Wand hänge, Azonto tanze oder das Essen nachpfeffere, um
mein kurzes Leben in Ghana, das ein neues war, nicht als altes ablegen zu
müssen, solange ich nicht die Einstellung ablege, die dieses Leben ausmacht.