Kofi
heißt Kofi, weil er an einem Freitag geboren wurde. Eigentlich heißt Kofi
Emmanuel, das interessiert aber keinen.
Kofi
ist heute genau ein Jahr, einen Monat und neunzehn Tage alt, krabbelt, als
wolle er an Olympia teilnehmen, macht mit ein bisschen Hilfe schon eigene
Schritte und sein erstes Wort war definitiv – ich hab es ganz genau gehört! – Dörte.
Kofi
klettert während der Entstehung dieses Textes kontinuierlich auf meinen auf dem
Steinboden sitzenden Schoß, um wahlweise an meinem Stift oder meinem
Kettenanhänger zu lutschen.
Kofi
kommt sowieso immer vorbei, wenn ich gerade auf der gemeinsamen Terrasse sitze,
Avocados schäle, mir hundsgemeine Matheaufgaben für die Sechstklässler
ausdenke, den Gewinner des Malwettbewerbes ausfindig mache oder selbst mit
Pinsel, Schere und Papier herumhantiere (Obwohl ich nie ein Fan von Stochastik
war, kann ich bestätigen, dass mit mindestens 94,7%iger Wahrscheinlichkeit jede
Postkarte, die ich in den letzten Wochen auf Reisen geschickt habe, ein paar
Spritzer Kofispucke mit sich trägt – Glückwunsch, wenn Du auch was bekommen
hast!)
Kofi
lebt allein mit seiner 21-jährigen Mama Amina im Raum neben Ruth und mir. Sein
Papa kommt nur selten vorbei, um über Nacht zu bleiben und sich dann wieder
über Monate nicht zu melden, ist also ein waschechtes Arschloch, wie es im
Buche steht.
Kofi
trägt keine Windeln, pinkelt sich noch immer nach Herzenslust ein, geht dafür
aber wenigstens wie eine Katze immer auf denselben Fleck: die oberste der drei
Stufen zu unserer Terrasse, von wo aus man den ganzen schönen Kofiurin bequem
runterwischen kann – Schlauer Junge!
Kofi
ist ein Einzelkind, Mama Amina will aber auf jeden Fall noch mehr Kinder
bekommen. Hoffentlich nicht von Kofis Papa, denn der ist ja wie gesagt ein
waschechtes Arschloch, wie es im Buche steht.
Kofi
verliert durch den von Ruth und mir eingeführten Salat-Montag (freu mich schon
wie Bolle auf heute Abend!) die ghanaische Scheu vor ungekochtem Gemüse.
Kofi
hört viele Sprachen um sich herum und wird in einigen Jahren wohl Selee - die
Dorfsprache -, Ewe - die Sprache der Volta Region -, Hausa – die Sprache seiner
Mutter -, Englisch – die Schul- und Amtssprache - und (wenn meine
lingualpädagogische Vorbehandlung effektiv sein sollte) ein paar Brocken
Deutsch („Guten Morgen, kleiner Mann.“ „Nee, kriegste nicht. Ätsch-Bätsch“
„Wenn deine Mama nicht hinschaut, klau’ ich dir deine Mango!“) sprechen.
Kofi
lacht konspirativ, wenn ich mich unter Aminas Gelächter vor dem sonntäglichen
Gottesdienst verstecke oder mir seine Mama fünf Minuten vor Arbeitsbeginn ein
augenzwinkerndes „I’m sooo sorry, you can’t go to work today – the rain is
coming!“ zuwirft.
Kofi ist immer der dumme Junge, wenn er die Bälle fangen muss, die Nachbarsjunge Dennis und ich uns über ihn hinweg zuwerfen.
Kofi
mag Schoko-Banane-Muffins, die Ruth und ich nach langer Wartezeit auf
importiertes Backpulver doch noch backen und im Dorf verteilen konnten.
Kofis
Mama ist Muslimin, Kofi selbst wird aber nächsten Monat christlich getauft
werden, weil sein Vater – das waschechte Arschloch, wie es im Buche steht –
Christ ist. Wenn Kofi 14 ist, wird er selbst über seine Religion entscheiden
dürfen.
Kofi
wird überall und vor jedermanns Augen ungeniert gesäugt und bekommt für so viel
undeutsche Schamlosigkeit von mir einhundertsiebenunddreißig Pluspunkte.
Kofi
sieht mit Haaren eigentlich viel schöner aus als ohne.
Kofi
wird in 15 Jahren langsamer rechnen können, schlechteres Englisch sprechen und
mehr Rechtschreibfehler machen als andere 16-jährige in West- oder Südghana,
weil die Volta Region im Osten, die den restlichen Gebieten erst später
angeschlossen worden ist, politisch, infrastrukturell und gesellschaftlich eher
stiefmütterlich behandelt wird (Irgendwie kenne ich das doch…).
Kofi
geht nicht in die Kinderkrippe. Wenn Mama arbeitet, ist Kofi auf dem Rücken mit
dabei, egal, ob auf der Farm Mais angebaut oder das daraus geploppte Popcorn
verkauft wird.
Kofi
ist der ungekrönte Star der gesamten Nachbarschaft, die sich gern (lustiges
Glucksen, ungeschicktes Aufstehen, vollkommen sinnfreies Sich-im-Kreis-Drehen)
oder weniger gern (extrem ätzendes Aufmerksamkeitsschreien, besonders am viel
zu frühen Morgen) von ihm unterhalten lässt.