Samstag, 28. April 2012

Malermeister Regentropfen


Sommer – Herbst – Winter – Frühling und wieder von vorn? Von wegen! Auf Sommer kann auch Frühling folgen. In Ghana nennt man ihn Regenzeit.

Über drei Monate fiel vom Himmel kein einziger Wassertropfen. Gräser, Sträucher, Bäume machten dem Namen Trockenzeit alle Ehre. Die Sonne knallte, ohne zu fragen, ob die Hitze schon ausreichend sei. Aus der Sahara über das Land wehender Sand raubte dem Himmel sein Blau, den Pflanzen ihr Grün, überpinselte die Straßen mit ockergelben Staubkörnern. Gleich den ersten vergilbten Farbfotos aus Omas Familienalbum.
Ghanas Farben machten Pause. Von Dezember bis Februar.

Erlösend wie das Ausziehen der stundenlang getragenen, viel zu hohen Abschlussballschuhe brach der erste Regen des Jahres durch die hoffnungsvoll dunkelgrauen Wolkenbäuche. Wusch erbarmungslos das satt gesehene Ockergelb von staubverkleisterten Palmen und Bananenstauden am Straßenrand. Wusch kleine, sandfarbene Hände, kupferrote Kinderfüße vom einst frisch gestrichenenen Klettergerüst. Wusch den verschleierten Himmel endlich wieder rein. Wie eine Hand die andere.
Ghana bekam wieder Farbe.
Der Regen hat den Frühling gemacht. Der Regen und nicht die Sonne.

Blau, Grün, Rot - Die Straßen haben ihre Farben zurück

Der Regen hat den Sand verjagt. Ich sehe wieder klar, der Horizont weicht ein paar Schritte zurück, die Lanschaft bekommt wieder Kontur. So wie damals, als ich das erste Mal Kontaklinsen trug.
Der Regen gibt den Farmarbeitern ihre Arbeit zurück. Früh ziehen sie aus, um Reis, Bohnen, Mais anzubauen. Mit Maniokwurzeln in Schüsseln auf dem Kopf kommen sie zurück. Die Kakaobäume tragen schon kleine Früchte, in einem halben Jahr können die reifen Schoten geerntet werden. Dicke Frauen verkaufen Avocados, Tomaten, Zwiebeln an den Straßen. Aus Mangobäumen lugen Kinderbeine hervor. Mangoklauen ist wie Kirschenessen.

Samstag, 21. April 2012

In Ghana “Spot” means Bar, “Club” means Beer

In Ghana “Spot” means Bar, “Club” means Beer – Club Beer
Share the brighter life – Star Beer.
Reach for greatness – Guiness.
Open happiness – Coca Cola.
Smooooooooth – Castle Milk Stout.

Es sind Werbeslogans wie diese, die hängenbleiben, wenn die Landschaft am Trotrofenster an mir vorbeizieht. Zur Landschaft gehören sie tatsächlich, die grünen (Club), blauen (Star), ockergelben (Guiness), roten (Coca Cola) und weißen (Castle) Werbetafeln. Wie die vollen Mangobäume, die Wellblechdächer und die langgezogenen Schulgebäude mit den davor spielenden, in orange-braunen Uniformen steckenden Kindern.
Sie hängen an grünen, blauen, ockergelben, roten und weißen Holzlatten, die schon von außen verraten, was drin steckt: Drinking Spots.

Aussen hui...
... Innen noch mehr hui.














Drinking Spots sind vielleicht das Schönste, was Ghanas Straßen hervorgebracht haben.
Ich mag sie, diese holzlattenumzäunten, girlandenbebaumelten Orte mit ghanaischem Biergartencharakter. Es gibt sie überall, in großen Städten und kleinen Dörfern, mal offensichtlich am Straßenrand, mal versteckt in einer Hinterhofgasse. Mal großflächig und open-air, meistens klein und wellblechbedacht. Neben Gefängnissen, an Stränden, auf Dächern.
Ich mag das Drinking Spot Flair, diese Gelassenheit. Diese Toleranz. Vielleicht wird nirgendwo sonst in Ghana die Idee vom leben und leben lassen so real wie an den Orten, an denen ein so breit gefächertes Spektrum an Menschen zusammentrifft. Kontaktfreudige Labertaschen & ungesprächige Einzelgänger. Dicke, fette und darum wohlhabende Polizisten in Uniformen & sichtbar müde Reisbauern in zerrissenen Hosen. Nicht auf den Mund gefallene Frauen & Männer, denen das gefällt. Priester, die mit Jesu Kraft die letzte Kollekte in (Palm)Wein verwandeln & Muslime, die für eine halbe Stunde Allahs Alkoholverbot vergessen. Kinder, die für den spontanen Besuch zuhause die notwendige Gastfreundschaft einkaufen müssen & deren Geschwister, die abends jetzt auch länger wegbleiben dürfen. Patrioten, die „Ghana peaceful country“ in den Himmel loben & Skeptiker, die an eben diesem Frieden zweifeln. Rastas, die von ihrer Heimat in Benin und Togo schwärmen & Flüchtlinge, die froh sind, nicht mehr in Nigeria und der Elfenbeinküste zu leben.

Seitdem Ruth und ich Stammgaeste im Spot seiner Mama sind, ist der kleine Marc unser guter Kumpel.


In Drinking Spots habe ich die ehrlichsten Gespräche geführt, die schönsten Sätze gehört, die widerlichsten Anmachsprüche über mich ergehen lassen und die lustigsten Abende verbracht. Ich war in einem Drinking Spot, als sich Ghanas Black Stars im Africa Cup of Nations ins Halbfinale schossen und auch, als der Traum vom Afrikameister Sambias Mannschaft nicht gewachsen war. In Drinking Spots weinte ich dicke Vermissenstränen, ärgerte ich mich grün und blau über selbstverliebte Beamten, freute ich mich über das Wiedersehen mit tollen Menschen, ergaben sich kostenlose Alternativen zu teuren Hotels, versteckte ich mich vor Straßentrubel und Hitze, wurde ich nach langer Reise wieder willkommen geheißen und ließ ich mich immer und immer wieder vom am häufigsten gespielten und trotzdem noch nicht oft genug gehörten I love my life bedudeln.


Freitag, 13. April 2012

Independence Now!

Ein Blick in die Vergangenheit – Teil III

Nach dem Verbot des Sklavenhandels um 1850 verlieren die europäischen Handelskompanien ihr Interesse an den Gebieten entlang der ghanaischen Küste. Einzig die Briten bleiben und weiten ihr wirtschaftliches Einflussgebiet auf politische Aspekte aus.
Mit dem Küstenvolk der Fanti schließen sie ein Abkommen zum gegenseitigen Schutz vor dem mächtigen, kriegerischen Binnenvolk der Ashanti. 1874 wird schließlich der Küstenstreifen trotz massiven Widerstandes der Ashanti zur Kronkolonie Goldküste ernannt, welcher sich die 1901 endgültig geschlagenen Ashanti und die nördlichen Territorien einverleiben müssen.
Verwaltet werden all diese Regionen vom englischen Gouverneur in der Koloniehauptstadt Accra, bis in einer Verfassungsreform 1925 den einheimischen, traditionell akzeptierten Oberhäuptern im Sinne einer indirekten, der britischen Krone unterstellten Herrschaft wieder politische Mitbestimmung zugestanden wird.

Eine Stärkung der einheimischen Bevölkerung.
Doch noch nicht genug für die Menschen, die ihre Heimat vollkommen von der britischen Fremdbestimmung befreien wollen. Menschen wie Kwame Nkrumah.
In einem südghanaischen Dorf aufgewachsen, in den USA Politikwissenschaft und Volkswirtschaft studiert, organisiert er Streiks und Boykotte, in denen seine Forderung nach dem Selbstbestimmungsrecht der ghanaischen Bevölkerung laut wird.

Independence Now!  
Independence Now! 
Independence Now!

Sein Leitspruch wühlt die Massen auf. Seine Partei Convention People’s Party gewinnt an Stimmen. 1952 wird er in den ersten allgemeinen Wahlen zum Premierminister der Goldküste gewählt.
Die Regierung wird zusehends afrikanischer, die britische Krone verliert an Einfluss. Am 6. März 1957 erlangt die Kolonie Goldküste unter dem neuen Namen Ghana als erste britische Kolonie auf afrikanischem Kontinent die Unabhängigkeit.

Die junge Republik liegt in den Händen ihres Präsidenten Kwame Nkrumah.
Er will das ressourcenreiche Land das aufholen lassen, was in den Jahrhunderten der europäischen Ausbeutung vernachlässigt wurde. Nkrumah organisiert das Sozial- und Gesundheitswesen, gründet Universitäten und führt die allgemeine Schulpflicht ein. Er realisiert zwei gigantische Projekte – den Staudamm in Akosombo und die Errichtung der Hafen- und Industriestadt Tema –, die noch heute einen erheblichen Anteil an Ghanas Wirtschaftskraft tragen.
Projekte und Maßnahmen, die ihm letztendlich die Macht kosten. Der Staat verschuldet sich Hals über Kopf. Die Opposition, die seine überstürzte Industrialisierung kritisiert, wird von Nkrumah rigoros bekämpft. 1966 putscht sich schließlich das Militär an die Macht.

Es folgen Jahre, in denen sich Demokratieversuche und Putsche abwechseln. 1992 aber legt sich Ghana per Volksabstimmung eine demokratische Verfassung zu, die noch heute gültig ist. Die darin garantierten freien Wahlen für alle Bürger ab 18 Jahren finden seitdem alle vier Jahre statt. Der Wahlkampf für die nächsten, für Dezember dieses Jahres angekündigten Wahlen läuft bereits.

Ghana gilt international als demokratisches Musterkind in Westafrika.
Die Verfassung verspricht viel. Denn sie garantiert die von der UNO aufgestellten Menschenrechte.
Die Unterzeichnung der Menschenrechte ist eine schöne Sache. Schöner wäre es noch, diese auch einzuhalten.