Freitag, 31. August 2012

Kulturschock Part II


Zurück in Deutschland. Zurück im gelobten Land, in dem leben zu können, ich vor Wochen noch beneidet worden bin. Zurück im Land, in dem Milch und Honig fließen und Nadelbäume statt Ölpalmen aus dem Boden sprießen.
Zurück im alten Leben. Ist es das noch?

Ich wusste, dass es nicht leicht sein würde, sich in einer fremden Kultur einzuleben. Doch warum ist es so verdammt schwer, in meiner eigenen anzukommen?
Ich fühle mich fremd. Fremd und einsam. Wenn ich allein im Bett liege, allein in diesem großen Zimmer, in diesem viel zu großen Haus. Fremd in all dem stummen Platz. All der Ruhe. Es ist so schrecklich still! Fremd vor meinem großen Kleiderschrank. Fremd, wenn ich diese riesigen Bildschirme sehe oder das 24-Stunden-Internet, das die Leute in Hosentaschen mit sich herum tragen. Fremd, wenn ich in Mülleimer schaue, in denen liegt, was kein Müll ist. Fremd, wenn ich den Kühlschrank öffne. Fremd, wenn so viel möglich ist, dass man es unmöglich alles ausschöpfen kann. Fremd in all dem Überfluss.

So sieht das Leben aus, das ich in Ghana nicht mehr verstehen konnte, das ich belächelte und regelrecht verabscheute.
Ich bin überfordert, wenn ich im Supermarkt vor unzähligen prall gefüllten Regalen stehe, deren Auswahl mich erschlägt. Mir wird schlecht, wenn ich diese viel zu vielen Nahrungsmittel sehe, die tausende Kilometer verschifft worden sind, um hier nicht gekauft und deshalb weggeworfen zu werden. Und ich bekomme das blanke Kotzen, wenn ich mitkriege, mit welcher Hysterie die Leute alle paar Monate ihre Handys ersetzen, deren Kupfer- und Aluminiumbestandteile in Accras Elektromüllslum von ghanaischen Kindern heraus geschmolzen werden.

Das ist ein Leben im Überfluss, den es in einem Entwicklungsland wie Ghana nicht für alle gibt. Das bedeutet allerdings nicht, dass Deutschland keine Mangelerscheinungen kennt. Ein Schalk ist, wer den Reichtum dieses Landes einzig an seinen importierten Gütern zu messen vermag. Menschlich gesehen, finde ich, ist Deutschland das größere Entwicklungsland. Das klinisch saubere Land, in dem sich Menschen nur mit Fingerspitzen berühren, um keine Fingerabdrücke zu hinterlassen, lieber wegschauen, um nicht der Gafferei bezichtigt zu werden, Gartenzäune und Mauern bauen, um sich zu verstecken, um sich abzugrenzen, um den Nachbarn ignorieren zu können, um nicht gesehen zu werden, wenn sie zum Lachen in den Keller gehen.
Von dem einen zu viel, vom anderen zu wenig.

Ich bin zurück in Deutschland. Alles hat noch seinen Platz, nur ich nicht mehr. Ich will ihn nicht einnehmen, den Platz, der für mich freigehalten worden ist. Ich will nicht so tun, als sei nichts gewesen, als hätte ich einfach nur den Winter verschlafen. Es käme mir vor wie Verrat an meinem Leben in Ghana, in dem ich alles hatte, was ich brauchte. Von dem einen weniger, vom anderen mehr.
Vielleicht ist es diese Einstellung zum Leben, die ich aus Ghana mitgebracht habe und die meine Zeit in diesem Land nicht verblassen lassen wird, wenn ich nicht erblinde, bei so viel Blendung. Vielleicht ist es egal, ob ich mir Kente-Webereien an die Wand hänge, Azonto tanze oder das Essen nachpfeffere, um mein kurzes Leben in Ghana, das ein neues war, nicht als altes ablegen zu müssen, solange ich nicht die Einstellung ablege, die dieses Leben ausmacht.

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