Samstag, 3. Dezember 2011

Bittersüß


Ich folge ihr.
Vorbei an Reisfeldern, an Maisfeldern, vorbei an Bananenstauden, an Ölpalmen. Sie läuft schnell. Ich schaue auf den Boden, muss auf Wurzeln und Schlamm achten, sehe kaum, was mich umgibt.
„Snake!“ Sie lässt die Schlange unseren Weg kreuzen. „Was it a dangerous one?“  - „Not too much.”
Vielleicht zwei Kilometer laufen wir hinein in feuchtwarmes Pflanzendickicht. Bis wir ankommen.



Es waren Spanier und Portugiesen, die die Kakaopflanze aus Südamerika kommend nach Westafrika brachten. In Ghana wurde Kakao erstmals 1879 kultiviert. Bereits 1911 dominierte Ghana mit 40% Anteil am weltweiten Kakao-Export den Weltmarkt.

Zu zehnt sitzen wir um einen tischhohen Haufen reifer Kakaofrüchte. Die tiefgelben, bisweilen von braunen Flecken gesäumten Kakaoschoten haben die Form von Rugby-Bällen. Sie wurden schon vor zwei Tagen geerntet, um in dieser Zeit bereits Wärme entwickeln und mit der Gärung beginnen zu können. Unerschrockene, kraftvolle Hiebe mit dem Cutlass, einer Machete, brechen die wassermelonendicke Schale, die die an einer Rispe vereinten Kakaobohnen offenbart. Milchweiß sind sie, unter der weißen Decke violett. So groß und so geformt wie platt gedrückte Eicheln im Herbst. Glitschig vom frischen Fruchtfleisch, als hätte jemand Spülmittel über sie geschüttet. Sie schmecken sauer, sauersüß, fruchtsüß. Bitter, wenn man sie kaut.



1,5 Millionen Ghanaer leben von der Kakaopflanze. Ein Drittel des landwirtschaftlich nutzbaren Landes wird für deren Anbau genutzt.
Wegen der hohen Krankheitsanfälligkeit der Pflanze wird sie vorwiegend auf familieninternen Kleinfarmen und nur selten in Plantagenwirtschaft gezüchtet. Die Produktion, Qualitätssicherung, Forschung und Schädlingsbekämpfung wird durch die staatliche Behörde Ghana Cocoa Board gesteuert.

Bananenblätter decken die von den Rispen entfernten Bohnen ab. Sie bewahren die Wärme, um den Gärungsprozess zu unterstützen. Eine Woche dauert die Verwandlung von der Raupe zum Schmetterling. Danach sind die Bohnen geschrumpft, rot-orange-braun gefärbt, haben sehr viel Flüssigkeit verloren und an Härte gewonnen. Und sie riechen, wie vergorene Früchte eben riechen: Unangenehm.
Eine Woche lang werden sie getrocknet. Ausgebreitet auf Wellblechen, die einen halben Meter über dem Erdboden lagern, um nicht die Feuchtigkeit des Bodens aufzunehmen, liegen sie in der Sonne wie Touristen am Strand an der Costa Brava. Mehrmals am Tag werden sie gewendet, vereinzelt, aussortiert. Bis sie dunkelbraun und hart sind.
Und Bitter. Bittersüß.



Heute liegt Ghana mit 20% Anteil am Kakao-Welt-Export hinter der Elfenbeinküste. Hauptabnehmer sind die USA und die EU, darunter besonders die Niederlande, England und Deutschland. Exportiert werden dabei hauptsächlich die unverarbeiteten Kakaobohnen, Halbwaren wie Kakaobutter und –pulver oder gar Fertigprodukte wie Schokolade eher selten.
Import und Export bilden in Ghana kein gesundes Gleichgewicht. Exportiert werden vorwiegend Rohstoffe, teuer importiert die daraus gefertigten Waren. Da in Ghana produzierte Schokolade kaum Abnehmer findet, gibt es landesweit nur eine Schokoladenfabrik in der Hafenstadt Tema. Aus den USA, aus den Niederlanden, England und Deutschland wird Schokolade eingekauft. Zu teuer für den Großteil der Bevölkerung.
Dieser kennt nicht den süßen Geschmack der Schokolade. Nur den des Kakaos. Und der ist Bitter. Bittersüß.

4 Kommentare:

  1. ... und immer noch lese ich mit viel Freude deinen Blog ...
    lieben Gruß
    Doris (Ruth's Mama)

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  2. ... und immer noch freut mich das riesig :)

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  3. In einen Video habe ich gesehen, dass diese Arbeit wirklich ein harter Knochenjob ist. Wenn ich mir vorstelle, dass sie teilweise von Kindern auf manchen Teilen der Welt ausgeführt wird, wird mir echt übel. Deswegen fleißig "FairTrade" kaufen.

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  4. Die Arbeit, die ich beschrieben habe und an der zehn Menschen teilgenommen haben, ergibt 35 Kilogramm Kakaobohnen fuer umgerechnet 100 Euro... FairTrade ist wichtig!

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