Donnerstag, 3. Mai 2012

Ehrlich gesagt


Ich habe einmal gelernt, dass Ehrlichkeit am längsten währt. Ich habe gehört, dass das Leben kein Ponyhof ist und ich bin davon überzeugt, dass jede Medaille zwei Seiten hat.
Oder anders gesagt: Mein Freiwilligendienst in Ghana hat nicht nur positive Aspekte und es ist fair und ehrlich anderen und mir selbst gegenüber, auch über die negativen Seiten zu reden.
Kritik lohnt sich. Und immerhin haben Zweifel der Welt mehr Glück beschert als Blauäugigkeit.

Es war einmal im Jahre 1492, da entdeckte ein unerschrockener Held namens Christopher Kolumbus den amerikanischen Kontinent und schenkte damit der Weltgeschichte den Übergang vom Mittelalter zur Neuzeit.
So habe ich es gelernt. Aus Geografie- und Geschichtsbüchern, die den europäischen Heilsbringer in den Himmel heben. Was darin kaum Beachtung findet, ist die Tatsache, dass es überall eine Geschichte gab, bevor die Europäer kamen. Menschen lebten auf allen Kontinenten, bevor sie von Europäern zurückgedrängt und getötet, versklavt und ausgebeutet wurden.

Europäer machten die Welt europäisch.
Es waren Europäer - eine Minderheit der Weltbevölkerung-, die Kriege führten, um ihr Sammelsurium aus Landfetzen des Erdballs zu vergrößern. Die Mehrheit der Weltbevölkerung spricht Sprachen, die ihr aufgezwungen wurden, lebt innerhalb Grenzen, die ihr aufgezwungen wurden, glaubt an einen Gott, der ihr aufgezwungen wurde.

Europäer machen die Welt europäisch. Noch immer. Wie zur Kolonialzeit.
Was vor 100 Jahren besetzte Landstriche waren, sind heute besetzte Ölraffinerien und Billiglohnfabriken. Was vor 100 Jahren das Christentum war, ist heute die Demokratie.
Die Demokratie, Stolz und höchstes Gut des modernen Europas, gilt als Norm, um andere Länder nach dem Grad ihrer Entwicklung zu beurteilen. Höher entwickelt sind jene Staaten, die dem europäischen Standard am ehesten gleichen. Weniger entwickelt dagegen jene, die diesen Standard noch erreichen müssen.
Der Welt wurde gelehrt, europäisch zu blicken, nach europäischen Maßstäben zu urteilen. Dabei übersehen wir, dass die Welt noch andere Perspektiven als die europäische bereithält. Dass unser Denken nicht das Maß aller Dinge ist. Dass es Werte gibt, die ebenso zu existieren berechtigt sind wie die europäischen.

Europäer machen die Welt europäisch. Noch immer. Mittels Entwicklungspolitik.
Europa und die westliche Welt können ihre finanziellen Unterstützungen unter bestimmte Bedingungen stellen und somit die Entwicklung des Restes der Welt kontrollieren und regulieren. Unter dem Deckmantel der Hilfeleistung sichert sich die westliche Welt auf diese Weise die Position des Mächtigeren, der die in diesem Sinne Hilfsbedürftigen von sich abhängig macht. So bleibt das Prinzip der Kolonialzeit erhalten: Eine Zweiteilung der Welt in Entwickelten und Unterentwickelten. In Geber und Nehmer. In Mächtigen und Abhängigen.

Seit acht Monaten mache ich einen entwicklungspolitischen Freiwilligendienst, der vom Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung unterstützt wird. Ich bin ein kleiner Teil der deutschen Entwicklungspolitik und trage in diesem Sinne dazu bei, Ghana in ein Abhängigkeitsverhältnis gegenüber Deutschland zu drücken. Zwar sehe ich deutlich, was meine Arbeit im Kid’s Corner den Kindern von Santrokofi bringt, zwar erkenne ich schon Verbesserungen ihres Bildungsstandes, aber ich weiß auch, dass ich sie in vier Monaten wieder verlassen muss. Wenn nach mir wieder Freiwillige kommen, müssen auch sie von Null beginnen, müssen sich die Kinder wieder auf neue Menschen einstellen, die nach einigen Monaten wieder gehen. Nachhaltigkeit sieht anders aus.
Das, was ich mit meinen Kindern mache, ist Nothilfe. Hilfe für den Moment. Weitsichtiger wäre es, die Ausbildung ghanaischer Lehrer und Erzieher zu unterstützen, die hier leben und langfristig die Bildungssituation ghanaischer Kinder verbessern können.
Damit sich Ghana selbst entwickeln kann und nicht entwickelt, fremdentwickelt, wird.

Entwicklungspolitik hat viele gute Seiten und ist meiner Meinung nach notwendig. Dennoch lohnt es sich, die Nachteile nicht zu ignorieren.
Kritik ist immer unangenehm. Aber ehrlich.

1 Kommentar:

  1. Du schreibst, das was du mit den Kindern machst sei nur Nothilfe, Hilfe für den Moment...
    Stimmt, aber das ist doch trotzdem schonmal was ;-).
    Das Große kannst du allein sowieso nicht (restlos) ändern.
    Und für den Weltfrieden hast du so auch etwas getan :P.

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