Ich habe
einmal gelernt, dass Ehrlichkeit am längsten währt. Ich habe gehört, dass das
Leben kein Ponyhof ist und ich bin davon überzeugt, dass jede Medaille zwei
Seiten hat.
Oder anders
gesagt: Mein Freiwilligendienst in Ghana hat nicht nur positive Aspekte und es
ist fair und ehrlich anderen und mir selbst gegenüber, auch über die negativen
Seiten zu reden.
Kritik lohnt
sich. Und immerhin haben Zweifel der Welt mehr Glück beschert als
Blauäugigkeit.
Es
war einmal im Jahre 1492, da entdeckte ein unerschrockener Held namens
Christopher Kolumbus den amerikanischen Kontinent und schenkte damit der
Weltgeschichte den Übergang vom Mittelalter zur Neuzeit.
So
habe ich es gelernt. Aus Geografie- und Geschichtsbüchern, die den europäischen
Heilsbringer in den Himmel heben. Was darin kaum Beachtung findet, ist die
Tatsache, dass es überall eine Geschichte gab, bevor die Europäer kamen.
Menschen lebten auf allen Kontinenten, bevor sie von Europäern zurückgedrängt
und getötet, versklavt und ausgebeutet wurden.
Europäer
machten die Welt europäisch.
Es
waren Europäer - eine Minderheit der Weltbevölkerung-, die Kriege führten, um
ihr Sammelsurium aus Landfetzen des Erdballs zu vergrößern. Die Mehrheit der
Weltbevölkerung spricht Sprachen, die ihr aufgezwungen wurden, lebt innerhalb
Grenzen, die ihr aufgezwungen wurden, glaubt an einen Gott, der ihr
aufgezwungen wurde.
Europäer
machen die Welt europäisch. Noch immer. Wie zur Kolonialzeit.
Was
vor 100 Jahren besetzte Landstriche waren, sind heute besetzte Ölraffinerien
und Billiglohnfabriken. Was vor 100 Jahren das Christentum war, ist heute die
Demokratie.
Die
Demokratie, Stolz und höchstes Gut des modernen Europas, gilt als Norm, um
andere Länder nach dem Grad ihrer Entwicklung zu beurteilen. Höher entwickelt
sind jene Staaten, die dem europäischen Standard am ehesten gleichen. Weniger
entwickelt dagegen jene, die diesen Standard noch erreichen müssen.
Der
Welt wurde gelehrt, europäisch zu blicken, nach europäischen Maßstäben zu
urteilen. Dabei übersehen wir, dass die Welt noch andere Perspektiven als die
europäische bereithält. Dass unser Denken nicht das Maß aller Dinge ist. Dass
es Werte gibt, die ebenso zu existieren berechtigt sind wie die europäischen.
Europäer
machen die Welt europäisch. Noch immer. Mittels Entwicklungspolitik.
Europa
und die westliche Welt können ihre finanziellen Unterstützungen unter bestimmte
Bedingungen stellen und somit die Entwicklung des Restes der Welt kontrollieren
und regulieren. Unter dem Deckmantel der Hilfeleistung sichert sich die
westliche Welt auf diese Weise die Position des Mächtigeren, der die in diesem
Sinne Hilfsbedürftigen von sich abhängig macht. So bleibt das Prinzip der
Kolonialzeit erhalten: Eine Zweiteilung der Welt in Entwickelten und
Unterentwickelten. In Geber und Nehmer. In Mächtigen und Abhängigen.
Seit
acht Monaten mache ich einen entwicklungspolitischen Freiwilligendienst, der
vom Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung
unterstützt wird. Ich bin ein kleiner Teil der deutschen Entwicklungspolitik
und trage in diesem Sinne dazu bei, Ghana in ein Abhängigkeitsverhältnis
gegenüber Deutschland zu drücken. Zwar sehe ich deutlich, was meine Arbeit im
Kid’s Corner den Kindern von Santrokofi bringt, zwar erkenne ich schon Verbesserungen
ihres Bildungsstandes, aber ich weiß auch, dass ich sie in vier Monaten wieder
verlassen muss. Wenn nach mir wieder Freiwillige kommen, müssen auch sie von
Null beginnen, müssen sich die Kinder wieder auf neue Menschen einstellen, die
nach einigen Monaten wieder gehen. Nachhaltigkeit sieht anders aus.
Das,
was ich mit meinen Kindern mache, ist Nothilfe. Hilfe für den Moment.
Weitsichtiger wäre es, die Ausbildung ghanaischer Lehrer und Erzieher zu
unterstützen, die hier leben und langfristig die Bildungssituation ghanaischer
Kinder verbessern können.
Damit
sich Ghana selbst entwickeln kann und nicht entwickelt, fremdentwickelt, wird.
Entwicklungspolitik
hat viele gute Seiten und ist meiner Meinung nach notwendig. Dennoch lohnt es
sich, die Nachteile nicht zu ignorieren.
Kritik
ist immer unangenehm. Aber ehrlich.
Du schreibst, das was du mit den Kindern machst sei nur Nothilfe, Hilfe für den Moment...
AntwortenLöschenStimmt, aber das ist doch trotzdem schonmal was ;-).
Das Große kannst du allein sowieso nicht (restlos) ändern.
Und für den Weltfrieden hast du so auch etwas getan :P.