Die
Fahrzeuge der Ghana Private Road Transport Union, auch bekannt als Trotros,
sind so etwas wie die Deutsche Bahn Ghanas.
So
wie Deutschland mehr oder weniger gut durch Zugverbindungen vernetzt ist,
bringen in Ghana Trotros Menschen von A über B und wenn C gerade unbefahrbar
ist auch über D nach E. Da ich bei verallgemeinernden, tief in die angestaubte
Kiste voller zum Erbrechen ausgelatschter Klischees greifenden Witzen nicht
unbedingt in einem Anfall ausgelassener Heiterkeit in die Luft zu springen
vermag, verzichte ich an dieser Stelle auf nahe liegende Vergleiche von Trotros
und Zügen bezüglich ihrer Pünktlichkeit und schließe stattdessen mit einer den
verzweifelt „Ich versteh’ den Text nicht! Was zur Hölle sind denn Trotros?“ einwerfenden
Leser beruhigenden Aufklärung über der, die, das Trotro an.
Ein
Trotro (ob der oder das Trotro kann ich nicht sagen, dürfte
letztendlich aber auch eine auf unnötige Krümelkackerei abzielende Detailfrage
sein – Heißt es eigentlich der oder das Krümel?) ist ein meist
den deutschen TÜV-Bedingungen zum Opfer gefallener, jedoch der Abwrackprämie
entkommener Kleinbus (also vielleicht der Trotro-Kleinbus).
Teilweise
erinnern seine bunten Aufschriften noch an seine Herkunft und verschönern das
Straßenbild mit Adresse und Telefonnummer von Fleischermeister Töffke aus
Wetzlar oder preisverdächtigen Werbeunikaten à la Dachdecker Strauß – einfach gut drauf!.
In
diese Kleinbusse werden Dreiersitze so montiert, dass der jeweils rechte Sitz
umklappbar ist und den Weg von und zu den hinteren Sitzreihen freigibt. „Frei“
ist dabei wie „sofort“ und „weit“ eines der berühmten Kaugummiwörter (der
oder das Kaugummi?), deren Interpretation von Betrachter zu Betrachter
schwankt. Denn das Passieren des scheinbar freien Weges entpuppt sich
insbesondere bei längeren Fahrten als Erklimmen der sich auf dem Boden
auftürmenden Reisetaschen und Reissäcke. Diese können auch – wenn „voll“ von
Passagieren und Fahrer als „voll“
interpretiert wird – auf das Dach geschnallt werden. Gemeinsam mit nach
Hühnerküken gackernden Kisten und lebenden Galionsfiguren gleichenden Ziegen.
Trotros
stehen an Trotro Stations bereit, an denen die Trotrofahrer den Ton und damit
die Richtung angeben. Zwischen Krakrakrakrakrakra!
(Accra), Heueueueueueueu! (Hohoe)
und Serserserserserserk! (Circle)
helfen auch Where to? Und Small girl, wherejugoing? weiter, um
letztendlich einen Platz im richtigen Trotro zu ergattern.
In
den schulhofähnlichen Geräuschteppich der Trotro Stations mischen sich beinahe
ausschließlich quietschend hohe Stimmen der Verkäuferinnen. Denn Trotro
Stations sind Marktplätze. Vor den geöffneten Trotrofenstern tummeln sich
Frauen und Kinder, die ihre in großen Schüsseln und Kisten auf dem Kopf
aufgebahrte Ware lautstark anpreisen. Ei, Seife, Erdbeereis. Brot, Soja,
Zahnpasta. Trotroshoppen macht Spaß.
Und
verkürzt die Wartezeit bis zur Abfahrt, die – je nachdem wie voll das Trotro
bereits ist – von zwei Minuten bis vier Stunden dauern kann. Trotros fahren
nämlich erst los, wenn jeder der meist 15 Plätze besetzt ist! (Der, die, das
Ausrufezeichen darf gern als Zaunspfahl in Diskussionen über klimafreundliche
Energieeffizienz eingeworfen werden). Hektischen Menschen, die an meinem
liebsten Ghanasatz We are not in hurry ignorant
vorbeirauschen, sei dabei geraten, dass ihnen entspannte Akzeptanz der
Eillosigkeit besser stünde als Meckern mit Blick auf die Uhr. Macht bestimmt
auch weniger Falten.
Irgendwann
jedenfalls geht die Fahrt immer los und die Passagiere starren kollektiv auf
den manchmal angebrachten und irgendeine nigerianische Nollywood-Produktion
zeigenden Bildschirm oder hängen, den Kopf ans Fenster, den Vordersitz oder den
Sitznachbarn gekuschelt, ihren ganz eigenen Gedanken nach. Einen Höhepunkt
erreicht das gemütliche Gemeinschaftsgefühl, wenn das Radio ein Tor der
ghanaischen Fußballer proklamiert und die Hupe als Vuvuzela herhalten muss oder
wenn gemeinsam über den Musikgeschmack oder die Überholmanöver des Fahrers
gelästert wird. Dabei sind die Driver oftmals die Helden der Trotrofahrt, die
Müdigkeit, Motorschäden, provokanten Passagieren, offensichtlich bewaffneten
Polizeikontrollen und schlaglochübersäten Straßen trotzen und alle Schäfchen
sicher ankommen lassen. Diese Souveränität trotz vollkommener Unkenntnis der
Vorfahrtsregeln erinnert mich daran, wie ich es geschafft habe, meinen
Führerschein zu bekommen. Dennoch gehört den Fahrern mein bedingungsloses
Vertrauen, das schon beinahe an erzchristliche Übergabe der Eigenverantwortung
an den lieben Gott grenzt.
Letzteres
könnte auf die Kirchenatmosphäre zurückzuführen sein, die tatsächlich manchem
Trotro innewohnt. Mal befiehlt ein im Radio eingesperrter Priester, gefälligst
auf der Stelle an Jesus zu glauben, mal sitzt der predigende Pfaff direkt mit
im Trotro. Ein andermal übernimmt der Sitznachbar die Missionsarbeit. Wohl um
sich aus gutem Grund an den europäischen Missionaren der letzten 200 Jahre zu
rächen. So wahr mir Gott helfe, beschränken sich diese Gespräche auf das bloße
Angebot einer Missionarsstellung mit dem augenzwinkernden Hinweis auf Gottes
Befehl, hinzugehen und uns zu mehren.
Amen!
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