Freitag, 15. Juni 2012

GPRTU aka Trotro = DB



Die Fahrzeuge der Ghana Private Road Transport Union, auch bekannt als Trotros, sind so etwas wie die Deutsche Bahn Ghanas.
So wie Deutschland mehr oder weniger gut durch Zugverbindungen vernetzt ist, bringen in Ghana Trotros Menschen von A über B und wenn C gerade unbefahrbar ist auch über D nach E. Da ich bei verallgemeinernden, tief in die angestaubte Kiste voller zum Erbrechen ausgelatschter Klischees greifenden Witzen nicht unbedingt in einem Anfall ausgelassener Heiterkeit in die Luft zu springen vermag, verzichte ich an dieser Stelle auf nahe liegende Vergleiche von Trotros und Zügen bezüglich ihrer Pünktlichkeit und schließe stattdessen mit einer den verzweifelt „Ich versteh’ den Text nicht! Was zur Hölle sind denn Trotros?“ einwerfenden Leser beruhigenden Aufklärung über der, die, das Trotro an.

Ein Trotro (ob der oder das Trotro kann ich nicht sagen, dürfte letztendlich aber auch eine auf unnötige Krümelkackerei abzielende Detailfrage sein – Heißt es eigentlich der oder das Krümel?) ist ein meist den deutschen TÜV-Bedingungen zum Opfer gefallener, jedoch der Abwrackprämie entkommener Kleinbus (also vielleicht der Trotro-Kleinbus).
Teilweise erinnern seine bunten Aufschriften noch an seine Herkunft und verschönern das Straßenbild mit Adresse und Telefonnummer von Fleischermeister Töffke aus Wetzlar oder preisverdächtigen Werbeunikaten à la Dachdecker Strauß – einfach gut drauf!.
In diese Kleinbusse werden Dreiersitze so montiert, dass der jeweils rechte Sitz umklappbar ist und den Weg von und zu den hinteren Sitzreihen freigibt. „Frei“ ist dabei wie „sofort“ und „weit“ eines der berühmten Kaugummiwörter (der oder das Kaugummi?), deren Interpretation von Betrachter zu Betrachter schwankt. Denn das Passieren des scheinbar freien Weges entpuppt sich insbesondere bei längeren Fahrten als Erklimmen der sich auf dem Boden auftürmenden Reisetaschen und Reissäcke. Diese können auch – wenn „voll“ von Passagieren und Fahrer als „voll“ interpretiert wird – auf das Dach geschnallt werden. Gemeinsam mit nach Hühnerküken gackernden Kisten und lebenden Galionsfiguren gleichenden Ziegen.



Trotros stehen an Trotro Stations bereit, an denen die Trotrofahrer den Ton und damit die Richtung angeben. Zwischen Krakrakrakrakrakra! (Accra), Heueueueueueueu! (Hohoe) und Serserserserserserk! (Circle) helfen auch Where to? Und Small girl, wherejugoing? weiter, um letztendlich einen Platz im richtigen Trotro zu ergattern.
In den schulhofähnlichen Geräuschteppich der Trotro Stations mischen sich beinahe ausschließlich quietschend hohe Stimmen der Verkäuferinnen. Denn Trotro Stations sind Marktplätze. Vor den geöffneten Trotrofenstern tummeln sich Frauen und Kinder, die ihre in großen Schüsseln und Kisten auf dem Kopf aufgebahrte Ware lautstark anpreisen. Ei, Seife, Erdbeereis. Brot, Soja, Zahnpasta. Trotroshoppen macht Spaß.
Und verkürzt die Wartezeit bis zur Abfahrt, die – je nachdem wie voll das Trotro bereits ist – von zwei Minuten bis vier Stunden dauern kann. Trotros fahren nämlich erst los, wenn jeder der meist 15 Plätze besetzt ist! (Der, die, das Ausrufezeichen darf gern als Zaunspfahl in Diskussionen über klimafreundliche Energieeffizienz eingeworfen werden). Hektischen Menschen, die an meinem liebsten Ghanasatz We are not in hurry ignorant vorbeirauschen, sei dabei geraten, dass ihnen entspannte Akzeptanz der Eillosigkeit besser stünde als Meckern mit Blick auf die Uhr. Macht bestimmt auch weniger Falten.

Irgendwann jedenfalls geht die Fahrt immer los und die Passagiere starren kollektiv auf den manchmal angebrachten und irgendeine nigerianische Nollywood-Produktion zeigenden Bildschirm oder hängen, den Kopf ans Fenster, den Vordersitz oder den Sitznachbarn gekuschelt, ihren ganz eigenen Gedanken nach. Einen Höhepunkt erreicht das gemütliche Gemeinschaftsgefühl, wenn das Radio ein Tor der ghanaischen Fußballer proklamiert und die Hupe als Vuvuzela herhalten muss oder wenn gemeinsam über den Musikgeschmack oder die Überholmanöver des Fahrers gelästert wird. Dabei sind die Driver oftmals die Helden der Trotrofahrt, die Müdigkeit, Motorschäden, provokanten Passagieren, offensichtlich bewaffneten Polizeikontrollen und schlaglochübersäten Straßen trotzen und alle Schäfchen sicher ankommen lassen. Diese Souveränität trotz vollkommener Unkenntnis der Vorfahrtsregeln erinnert mich daran, wie ich es geschafft habe, meinen Führerschein zu bekommen. Dennoch gehört den Fahrern mein bedingungsloses Vertrauen, das schon beinahe an erzchristliche Übergabe der Eigenverantwortung an den lieben Gott grenzt.



Letzteres könnte auf die Kirchenatmosphäre zurückzuführen sein, die tatsächlich manchem Trotro innewohnt. Mal befiehlt ein im Radio eingesperrter Priester, gefälligst auf der Stelle an Jesus zu glauben, mal sitzt der predigende Pfaff direkt mit im Trotro. Ein andermal übernimmt der Sitznachbar die Missionsarbeit. Wohl um sich aus gutem Grund an den europäischen Missionaren der letzten 200 Jahre zu rächen. So wahr mir Gott helfe, beschränken sich diese Gespräche auf das bloße Angebot einer Missionarsstellung mit dem augenzwinkernden Hinweis auf Gottes Befehl, hinzugehen und uns zu mehren.
Amen!

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