„Togo!“,
„Mali!“, „Sierra Leone!“, lässt der 12-jährige Ernest im Geografie-Wettbewerb
die älteren Jungs und Mädels noch älter aussehen, als von außerhalb des
Klassenzimmers eine unverkennbare Sirene aufheult: Abigail. Mal wieder. Daneben
Mary. Natürlich. Die ihr prompt mit der kleinen Faust auf den Kopf knallt wie
ein genervter Student auf den unnötigerweise aufschrillenden Wecker.
Gemütlich
trotte ich mit meinem extra für diese beiden Vierjährigen entworfenen „Und was
ist heute euer Problem?“-Gesichtsausdruck auf die sich liebenden, hassenden und
wieder liebenden Freundinnen zu. Ich hocke mich zu ihnen und höre mir den
empörten, luftholpausenlosen und deutlich mit Schuldzuweisungen nuancierten
Selee-Ewe-Englisch-Kindersprache-Wortschwall in zwei Stimmlagen an, ohne auch
nur drei zusammenhängende Worte zu verstehen. Bis das Wort der Worte so oft
fällt, dass auch ich schließlich den Auslöser für den heutigen Streit erkenne:
chalk. Achja klar, die beiden sind ja auch mal wieder mit naseweißem
Kreidestaub geschminkt. Hände auf, Kreide in der Mitte brechen, ein lachendes
Gesicht auf beide Oberarme und auf Marys Wunsch hin auch noch zwei Armbanduhren
um die dünnen Handgelenke malen, zwei Patschehändchen zum Handschlag
zusammenführen und schon greift Abigail nach Marys Rockzipfel, um mit ihr
Richtung Klettergerüst abzudampfen. Say it with a handshake!
The
Ghanaian Handshake: Nach dem gesunden Händedruck rutschen beide Mittelfinger
gekonnt lässig die Handflächen bis zur gegenseitigen Fingerkuppe hinab, um
diese kräftig zwischen Daumen und Mittelfinger zu schnipsen. Gern auch um
diverse Handgriffe erweitert. Kitzelt nämlich dabei der Mittelfinger
verschmitzt die Handinnenfläche, ist dies ein ganz unkompliziertes Sexangebot,
das noch unkomplizierter mit Zurückkitzeln (JA) oder Ignorieren (NEIN)
beantwortet werden darf.
Ob
mit oder ohne libidinösen Absichten: Der ghanaische Handschlag ist nichts für
schwitzige Froschfinger und Freunde betont unherzlichen
Weichspüler-Händeschüttelns. Denn Hände werden geschüttelt, gehalten,
gestreichelt, geknetet und gepresst, so oft es nur geht. Zur Begrüßung und zum
Abschied. Um Danke zu sagen, sich über ein Tor zu freuen oder eine Idee, einen
lobenswerten Satz oder einen guten Witz zu bekräftigen. Oder eben: als
Versöhnung.
Geschnipst,
vergeben und vergessen. Versöhnliche Stimmen klingen in Ghana lauter als
nachtragende. Meine Gastmama Comfort erklärt mir das so:
You
can make a mistake. All people make mistakes. Mistakes are not good, but they happen and in the end people learn from
them. Here in Africa we take everyone as our
sister and brother. You can forgive your sister and brother. God forgives us
every day, so we should also forgive people every day. If they are apologizing,
if they are begging you to forgive them, you should forgive them. Why not? It
is not paining you to forgive people.
Vergeben
wird in Ghana groß geschrieben. Sogar Kinder werden danach benannt.
Unsere
kleine Forgive ist 4 Jahre alt und sitzt gerade auf der Wippe Abigail und Mary
gegenüber, die ihren Kreidestreit längst vergessen haben.
Hey..
AntwortenLöschenstill alive?
Alive and kicking ;)
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