Sonntag, 1. Juli 2012

Say it with a handshake

„Togo!“, „Mali!“, „Sierra Leone!“, lässt der 12-jährige Ernest im Geografie-Wettbewerb die älteren Jungs und Mädels noch älter aussehen, als von außerhalb des Klassenzimmers eine unverkennbare Sirene aufheult: Abigail. Mal wieder. Daneben Mary. Natürlich. Die ihr prompt mit der kleinen Faust auf den Kopf knallt wie ein genervter Student auf den unnötigerweise aufschrillenden Wecker.
Gemütlich trotte ich mit meinem extra für diese beiden Vierjährigen entworfenen „Und was ist heute euer Problem?“-Gesichtsausdruck auf die sich liebenden, hassenden und wieder liebenden Freundinnen zu. Ich hocke mich zu ihnen und höre mir den empörten, luftholpausenlosen und deutlich mit Schuldzuweisungen nuancierten Selee-Ewe-Englisch-Kindersprache-Wortschwall in zwei Stimmlagen an, ohne auch nur drei zusammenhängende Worte zu verstehen. Bis das Wort der Worte so oft fällt, dass auch ich schließlich den Auslöser für den heutigen Streit erkenne: chalk. Achja klar, die beiden sind ja auch mal wieder mit naseweißem Kreidestaub geschminkt. Hände auf, Kreide in der Mitte brechen, ein lachendes Gesicht auf beide Oberarme und auf Marys Wunsch hin auch noch zwei Armbanduhren um die dünnen Handgelenke malen, zwei Patschehändchen zum Handschlag zusammenführen und schon greift Abigail nach Marys Rockzipfel, um mit ihr Richtung Klettergerüst abzudampfen. Say it with a handshake!

The Ghanaian Handshake: Nach dem gesunden Händedruck rutschen beide Mittelfinger gekonnt lässig die Handflächen bis zur gegenseitigen Fingerkuppe hinab, um diese kräftig zwischen Daumen und Mittelfinger zu schnipsen. Gern auch um diverse Handgriffe erweitert. Kitzelt nämlich dabei der Mittelfinger verschmitzt die Handinnenfläche, ist dies ein ganz unkompliziertes Sexangebot, das noch unkomplizierter mit Zurückkitzeln (JA) oder Ignorieren (NEIN) beantwortet werden darf.
Ob mit oder ohne libidinösen Absichten: Der ghanaische Handschlag ist nichts für schwitzige Froschfinger und Freunde betont unherzlichen Weichspüler-Händeschüttelns. Denn Hände werden geschüttelt, gehalten, gestreichelt, geknetet und gepresst, so oft es nur geht. Zur Begrüßung und zum Abschied. Um Danke zu sagen, sich über ein Tor zu freuen oder eine Idee, einen lobenswerten Satz oder einen guten Witz zu bekräftigen. Oder eben: als Versöhnung.

Geschnipst, vergeben und vergessen. Versöhnliche Stimmen klingen in Ghana lauter als nachtragende. Meine Gastmama Comfort erklärt mir das so:
You can make a mistake. All people make mistakes. Mistakes are not good, but they happen and in the end people learn from them. Here in Africa we take everyone as our sister and brother. You can forgive your sister and brother. God forgives us every day, so we should also forgive people every day. If they are apologizing, if they are begging you to forgive them, you should forgive them. Why not? It is not paining you to forgive people.

Vergeben wird in Ghana groß geschrieben. Sogar Kinder werden danach benannt.
Unsere kleine Forgive ist 4 Jahre alt und sitzt gerade auf der Wippe Abigail und Mary gegenüber, die ihren Kreidestreit längst vergessen haben.

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