Montag, 17. Oktober 2011

Durch den Monsun


Gerade liege ich auf dem Bett – mit tropfenden Haaren, glitschignass wie ein Fisch, vollgespritzt mit Schlamm bis zum Bauchnabel – und denke an eine junge Band, die vor Jahren die deutsche Teenagernation spaltete.
Denn gerade musste ich durch den Monsun.

Und ich denke an meinen Geografiehefter der 8. Klasse, in den eine Hand puren pubertären Desinteresses Worte wie Passatzirkulation und Innertropische Konvergenzzone schmierte. Hätte ich gewusst, dass mich dieses Naturgesetz einmal so nass machen würde, ich hätte das Schema mit der großen Sonne, den aufsteigenden Wassertropfen und den fetten Regenwolken nicht nur für die anstehende Klassenarbeit auswendig gelernt.
Denn die Regenzeit ist eine wunderschöne Zeit.

Regenzeit ist, wenn morgens ganze Berge in tiefhängenden Wolken verschwinden.
Regenzeit ist, wenn mittags feuchte, schwüle Luft aufrecht gehende Menschen zu gedrungenen, schwer atmenden Gestalten zusammendrückt. Wenn sich die Hitze, der Dunst und sicherlich auch der literweise rinnende Schweiß in dunklen Himmelvorhängen sammelt. Wenn starker, horizontal pustender Wind die heiße Schwüle beiseite schiebt, Ziegen ängstlich zu meckern beginnen und Menschen zu ihren Wäscheleinen sausen, Feuerstellen und trocknende Kakaobohnen mit Wellblech abdecken.
Regenzeit ist, wenn der Sturm die Ruhe vor dem Regen ist. Wenn sanfte Rieselregentropfen ankündigen, was Sekunden später über den Köpfen hereinbricht. Wassermassen, die beinahe erlösend die Luft wieder kühl, rein und frisch machen. Wassermassen, die in Töpfen und Kannen, Eimern und Wannen aufgefangen werden wie Tropfen auf den heißen Stein.
Regenzeit ist, wenn das geschäftige Dorf ruht und wartet und nichts und niemand zu hören ist außer heftig rauschendem Wassergeprassel. Lässt der Regenguss wieder nach, ist noch immer Wasserrauschen zu hören. Zwischen den Häusern rinnen und strömen Bäche und Flüsse den Hang abwärts.
Es wäre nachvollziehbar, sollte ein Mensch bei dem Anblick dieses Monsunregens an die sich entladende Wut irgendeines Gottes glauben.

Während der Monsunregen noch immer ein Vuvzelakonzert auf meinem Wellblechdach dirigiert, versuche ich, jene Theorie aus dem Erdkundeunterricht zu rekonstruieren.

Ghana liegt in der tropischen Klimazone, ein paar Breitengrade nördlich des Äquators.
In den Monaten des Frühlings und des Herbstes steht die Sonne über dem Äquator, wo es über tropischen Regenwäldern ständig regnet. Dieser Regen kommt als Monsunregen besonders in den Monaten September bis Oktober und März bis Mai auch in Ghana an. Außerdem südwestliche Winde mit feuchter Meeresluft, die die Luftfeuchtigkeit auf stolze 90% klettern lassen.
Wandert aber die Sonne in den Wintermonaten zum südlichen Wendekreis, nimmt sie auch das durch sie verdunstende Wasser und die daraus entstehenden Regenwolken mit. In Ghana herrscht dann Trockenzeit. Und Harmattan-Saison. Harmattan bezeichnet die aus der Sahara wehenden Passatstürme, die jährlich mehrere Milliarden Tonnen Staub aus der Wüste Nordafrikas nach Südwesten blasen.
Wie diese Theorie in der Praxis aussieht, weiß ich noch nicht. Die Menschen erzählen von Wasserknappheit, trockener Luft und auf der verschwitzten Haut klebendem Sand.
Ein Grund mehr, die Regenzeit zu genießen.

Es gibt viel Schönes auf der Welt. Bei Monsunregen in einem Holzverschlag zu duschen, gehört dazu.

6 Kommentare:

  1. Du solltest echt Bücher schreiben melli :-) LG aus dem kalten Deutschland. vanessa

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  2. wenn ich mal in der Schule einen Vortrag über Worte wie Passatzirkulation und Innertropische Konvergenzzone oder monsumregen halten muss werde ich 100% dich zitieren!
    Hast du schon mal überlegt ein Buch zu schreiben?

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  3. es ist soooo schön, dass du uns anteil haben lässt an deinem jetzigen alltag...
    und: bücher schreiben solltest du wirklich :-)
    bin stolz auf dich, mein kleenstes cousinschen - hdl

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  4. Dann muesst ihr aber auch alle diese Buecher kaufen! ;)

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  5. Meine liebe Melli, ich grüße dich aus dem vernebelten nieselregnerischen Deutschland, was ich ab jetzt genießen werde, denn ich weiß - ein neues Mal dank dir - was Wasser bedeutet...:-)
    Und es ist eine Tatsache: DU MUSST BUECHER SCHREIBEN: heute-morgen-spaeter, egal, du bist so talentiert!!! Und natürlich kaufen wir! Viel Glück für all deine Projekte und euch allen, den Bewohnern und den Kids eine eiserne Gesundheit! Mit ganz lieben Grüßen Kristin & Co.

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