Mittwoch, 5. Oktober 2011

Wie im Streichelzoo


Wer mich vor zehn Jahren fragte, was ich denn mal werden wolle, bekam die für 8-jährige Mädchen wenig originelle Standardantwort zu hören, die sogar noch beliebter als Prinzessin ist. Tierärztin. Doch spätestens mit der Erkenntnis, dass man nicht nur Hunde und Katzen, sondern auch Jungs streicheln kann, ändern jene Mädchen die Opfer ihrer Doktorspielchen.
Schade eigentlich. Denn Santrokofi ist ein riesengroßer Streichelzoo. Bloß ohne Zaun.

Die Ziege
Die frei herum laufenden Ziegen sind die Rasenmäher Santrokofis. Und die Müllmänner. Orangenschalen kann man getrost zu Boden fallen lassen, weil sie gewiss von der nächsten Ziege stibitzt werden. Was ein Vorteil ist. Allerdings riechen die feinen Ziegennäschen auch bereits im Mülleimer vor sich hin vegetierende Bananenschalen und gedenken, auf den Hinterhufen stehend, diesen Festtagsschmaus mit den Vordergliedmaßen herauszufischen, was regelmäßig zum Umkippen von Eimer und Ziege führt und im kompletten Mülldesaster endet. Was ein Nachteil ist. Da aber Ziege im vor ihr ausgebreiteten Mülleimerinhalt noch weitere Delikatessen wittert, ist bald der gesamte Boden sauber geleckt. Was wiederum ein Vorteil ist.

Das Huhn
Das Huhn und seine ständig um es herum wuselnde Kükenschar ist ein Nutznießer der Ziege. Es pickt sich freudig durch deren aufgetischtes Mülleimermenü und führt ein recht friedliches Leben. Wären da nicht die hormongeladenen Hähne, die es unter wenig erotischem Gegacker durch das Dorf jagen, mit dem Schnabel an den Schwanzfedern festhalten und einen Siegesschrei ausstoßend bespringen.

Der Fisch
Auch Fische dürfen in Santrokofi frei umher schwimmen. In Tomatensoße, Yam Soup – der ghanaischen Kartoffelsuppe – und in Erdnusssoße.

Der Frosch
Der Frosch ist Musikant und Kuckuck zugleich. Denn wie ein Kuckuck in seiner Uhr zeigt er mir die Uhrzeit an, wenn er gemeinsam mit seinen unzähligen Artgenossen Punkt 22.30 Uhr einen Kanon der verschiedensten Tonlagen anstimmt. Kaum zu glauben, welch laute Töne ein so kleiner Körper von sich geben kann!

Der Geier
Sie sind groß, kreisen ununterbrochen am Himmel und sehen aus wie im Dschungelbuch.
Nie werde ich vergessen, wie ich am Markttag an einem Fleischstand vorüber ging. Links die rohen, sehnigen, auf blutigem, fettig glänzendem Holz zum Kauf bereit liegenden Fleischbatzen. Rechts, keine vier Meter entfernt, zwei beinahe von diesem Anblick hypnotisierte Augen. In einem platten, knochigen, federlosen Kopf – ähnlich einer menschlichen Glatze – mit dunklem, gebogenem Schnabel. Dort, wo der magere, kahle Hals in den schwarz gefiederten Körper übergeht, thront ein grauer Federkranz. Zerrupft und heruntergekommen sehen diese Vögel aus. Und gerade deshalb so angsteinflößend.

Der Leguan
Der Leguan ist ein ausgesprochen cooles Tier.
Wenn er an einer sonnenbestrahlten Hauswand hängt, als gäbe es keine Schwerkraft, dann fehlt ihm nur noch die Sonnenbrille zum Sunny Boy. Für dieses Aussehen scheint er auch hart zu trainieren, wenn er den Oberkörper ähnlich meiner Morgenliegestütze auf und nieder drückt. Sollte dieses Muskelaufbauprogramm nichts nützen, dann muss der gelbköpfige, blaukörperige, grünbeinige Leguanmann eben durch seine Farbenpracht bei den grauen Frauen punkten.

Das Glühwürmchen
Cooler als der Leguan ist nur noch das Glühwürmchen – das humorvollste Tier überhaupt. Schließlich kann es von sich behaupten: „Eyh, mein Hintern leuchtet!“

In Ghana habe ich noch kein 8-jähriges Mädchen kennen gelernt, das rosarote Tierärztinnenseifenblasenträume träumt. Vielleicht liegt es daran, dass Tiere in Ghana als reine Nutztiere gehalten werden. Ohne Leine und ohne Stalltür.

2 Kommentare:

  1. Deine Schreibweise ist faszinierend, Melanie!
    Liebe Grüße von Tabea ;-)

    AntwortenLöschen
  2. Ich schließe mich meiner lieben Vorschreiberin an ;)
    auch liebe Grüße, Lisa :)

    AntwortenLöschen

Möchtest du etwas flüstern?